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Bundeskartellamt verhängt Bußgelder gegen Wursthersteller

Wegen illegaler Preisabsprachen hat das Bundeskartellamt heute (15.7.) Geldbußen in Höhe von insgesamt rund 338 Mio. Euro gegen 21 Wursthersteller sowie gegen 33 verantwortlich handelnde Personen verhängt. An den Absprachen waren die folgenden Unternehmen beteiligt (in Klammer sind gegebenenfalls die hinter den Unternehmen stehenden Konzerne benannt):
- Bell Deutschland Holding GmbH, Seevetal (vormals Abraham/Zimbo, Coop-Gruppe);
- Böklunder Plumrose GmbH & Co. KG, Böklund/Könecke Fleischwarenfabrik GmbH & Co. KG, Bremen (Zur Mühlen-Gruppe, ClemensTönnies-Gruppe);
- Döllinghareico GmbH & Co. KG, Elmshorn;
- Herta GmbH, Herten (Nestlé);
- Franz Wiltmann GmbH & Co. KG, Versmold;
- H. Kemper GmbH & Co. KG, Notrup;
- H. & E. Reinert Holding GmbH & Co. KG, Versmold/ Sickendiek Fleischwarenfabrik GmbH & Co. KG, Neuenkirchen-Vörden;
- Hans Kupfer & Sohn GmbH & Co. KG, Heilsbronn;
- Heidemark Mästerkreis GmbH & Co. KG, Emstek-Höltinghausen;
- Heinrich Nölke GmbH & Co. KG, Versmold;
- Höhenrainer Delikatessen GmbH, Feldkirchen-Westerham;
- Lutz Fleischwaren GmbH, Landsberg am Lech (Vion);
- Marten Vertriebs GmbH & Co. KG, Gütersloh;
- Meica Ammerländische Fleischwarenfabrik Fritz Meinen GmbH & Co. KG, Edewecht;
- Metten Fleischwaren GmbH & Co. KG, Finnentrop;
- Ponnath DIE MEISTERMETZGER GmbH, Kemnath;
- Rudolf und Robert Houdek GmbH, Starnberg;
- Rügenwalder Mühle Carl Müller GmbH & Co. KG; Bad Zwischenahn;
- Westfälische Fleischwarenfabrik Stockmeyer GmbH, Sassenberg (heristo AG);
- Wiesenhof Geflügelwurst GmbH & Co. KG, Rietberg (PHW-Gruppe) und
- Willms Fleisch GmbH, Ruppichteroth.

'Atlantic-Kreis' diskutierte über Marktentwicklungen und Preise

Zahlreiche Aussagen und Unterlagen belegen laut dem Kartellamt, "dass ein tradiertes Grundverständnis existierte, sich regelmäßig über Forderungen von Preiserhöhungen zu verständigen". So hätten sich namhafte Wursthersteller schon seit Jahrzehnten regelmäßig im sogenannten 'Atlantic-Kreis' (benannt nach dem ersten Treffpunkt, dem Atlantic Hotel) getroffen, um über Marktentwicklungen und Preise zu diskutieren.

Konkrete Absprachen für Preiserhöhungen gegenüber dem Einzelhandel

Neben diesem 'Atlantic-Kreis' sei es zwischen verschiedenen Wurstherstellern, insbesondere seit dem Jahre 2003, zu konkreten Absprachen gekommen, gemeinsam Preiserhöhungen gegenüber dem Einzelhandel durchzusetzen. Die Absprachen erfolgten größtenteils telefonisch, sei es durch wechselseitige Anrufe oder organisierte Rundrufe, so das Kartellamt. Aufgrund der Heterogenität der Produkte (verschiedene Wurstsorten, unterschiedliche Packungsgrößen, etc.) sei es nicht möglich gewesen, konkrete Einzelpreise festzulegen, so dass man sich über Preisspannen für Produktgruppen (Roh-, Brüh-, Kochwurst und Schinken) abgestimmt habe. Im Ergebnis konnten höhere Preisforderungen gegenüber dem Einzelhandel auf der Basis der Kartellvereinbarung durchgesetzt werden, so das Kartellamt.

Bußgeld je nach Unternehmen unterschiedlich

Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes: "Die Preisabsprachen wurden über viele Jahre praktiziert. Das Gesamtbußgeld erscheint auf den ersten Blick hoch, relativiert sich aber vor dem Hintergrund der großen Zahl der beteiligten Unternehmen, der Kartelldauer und den Milliardenumsätzen die in dem Markt erzielt werden. Gerade bei der Bußgeldbemessung sind wir in der teilweise mittelständisch geprägten Branche mit Augenmaß vorgegangen. Zu Gunsten der Unternehmen haben wir das besondere Umfeld – zwischen dem Lebensmitteleinzelhandel auf der einen Seite und einer ebenso stark konzentrierten Fleischbranche auf der anderen Seite – berücksichtigt. Außerdem haben wir, soweit es durch einschlägige Unterlagen belegt wurde, der wirtschaftlichen Situation und Leistungsfähigkeit jedes einzelnen Unternehmens Rechnung getragen."

Das Bundeskartellamt gibt keine Auskunft über die Einzelbußgelder. Die Bandbreite reicht in diesem Fall von wenigen Hunderttausend Euro bis hin zu hohen Millionenbeträgen. Bei der Bußgeldberechnung, die sich nach der Dauer und der Schwere der Tat richtet, sind laut dem Kartellamt sowohl der sogenannte tatbezogene Umsatz (also der konkret kartellbefangene Umsatz des jeweiligen Unternehmens), als auch der Gesamtumsatz der Unternehmen wichtige Bezugsgrößen. Der gesetzlich vorgegebene Bußgeldrahmen beträgt zehn Prozent des Gesamtumsatzes. Für die Berechnung des Gesamtumsatzes ist auf die sogenannte wirtschaftliche Einheit, also den hinter einem Unternehmen stehenden Konzernverbund abzustellen. Der Großteil der Geldbußen (ca. 85%) entfällt demzufolge auch in diesem Fall auf die konzernzugehörigen Kartellanten, so das Bundeskartellamt. Für die 15 beteiligten kleinen und mittelständischen Unternehmen belaufe sich die Geldbuße im Durchschnitt auf einen niedrigen einstelligen Millionenbetrag der im Durchschnitt rund zwei Prozent ihres Jahresumsatzes entspreche.

Anonymer Hinweis führte zu Untersuchungen

Erste Hinweise auf das Kartell erlangte das Bundeskartellamt durch einen anonymen Hinweis. Im Laufe des Verfahrens haben insgesamt elf Unternehmen mit der Behörde kooperiert und schließlich Geständnisse abgelegt. Die jeweiligen Kooperationsbeiträge wurden bußgeldmindernd berücksichtigt. Die Geldbußen sind noch nicht rechtskräftig. Gegen die Bescheide kann innerhalb von zwei Wochen Einspruch eingelegt werden, über den das Oberlandesgericht Düsseldorf entscheidet.

Reinert klagt gegen Kartellamtsbeschluss

Gegen das vom Bundeskartellamt verhängte Bußgeld legen die zur H. & E. Reinert Unternehmensgruppe gehörenden Unternehmen H. & E. Reinert Holding GmbH & Co. KG und die Sickendiek Fleischwarenfabrik GmbH & Co. KG Rechtsmittel ein. Die Unternehmen kündigen eine Klage gegen den Bescheid beim zuständigen Oberlandesgericht in Düsseldorf an. "Wir waren an keinen Absprachen mit Konkurrenten beteiligt, die das Ziel verfolgten, illegal Preise zu manipulieren", erklärt Firmenchef Hans-Ewald Reinert, der das Unternehmen in der dritten Generation führt. "Wir wollen deshalb im Rahmen eines öffentlichen Verfahrens vor einem unparteiischen Gericht, die Vorwürfe gegen uns und die Rechtmäßigkeit des verhängten Bußgeldes prüfen lassen."


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vg 15.07.2014