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Aufsichtsräte in Deutschland haben oftmals wenig Digitalexpertise

Fast die Hälfte der Unternehmen aus DAX30, MDAX, SDAX und TecDAX in Deutschland verfügen über keine:n Digitalexpert:in im Aufsichtsrat (46 %). Das ist das Ergebnis einer Studie des Beratungsunternehmens Egon Zehnder, Belrin, die Daten von insgesamt 160 Unternehmen aus DAX30, MDAX, TecDAX und SDAX verglich. Die Datengrundlage stammt aus Erhebungen von BoardEx im Januar 2021 und wurde durch Informationen aus öffentlich verfügbaren Pressemitteilungen, Geschäftsberichten und Unternehmensmeldungen ergänzt.

Demnach haben nur etwa die Hälfte der untersuchten Aufsichtsräte in börsennotierten Unternehmen mindestens ein Mitglied mit ausgewiesener Digitalexpertise aufgestellt. In knapp jedem vierten Aufsichtsrat sitzt mehr als ein:e Digitalexpert:in. Als solche:r wurde gewertet, wer bereits eine Führungsposition in einem Tech-Unternehmen bekleidet oder als CDO, CIO oder in anderer Spezialfunktion digitale Prozesse verantwortet hat.

"Im digitalen Umfeld müssen sich immer mehr Unternehmen komplett neu erfinden - in der Führung, in der Organisation und in der Arbeitsweise", sagt Brigitte Lammers, Partnerin bei Egon Zehnder. "Es überrascht daher, dass sich diese Entwicklung noch nicht in deutschen Aufsichtsräten abbildet."

Unter 1.552 Aufsichtsratsmitgliedern finden sich laut Studie insgesamt 197 Expert:innen, was einen Anteil von 13 Prozent ausmacht.

Tiefstwerte im Dienstleistungs- und Gesundheitssektor

Unterrepräsentiert sind Digitalexpert:innen der Untersuchung zufolge in nahezu allen Branchen. In vier Sektoren fallen allerdings im besonderen Maße Tiefstwerte ins Auge: der Finanzwirtschaft, der erzeugenden Industrie, dem Dienstleistungssektor und dem Gesundheitswesen. In jeweils weniger als der Hälfte aller Aufsichtsräte der entsprechenden Sparten findet sich Digitalexpertise. Auch numerisch bleiben Digitalexpert:innen zumeist stark in der Minderheit. So verfügen im Gesundheitssektor nur zwölf Prozent der Aufsichtsratsmitglieder über derartiges Spezialwissen. Unter 100 Aufsichtsratsmitgliedern von Dienstleistungsunternehmen finden sich rechnerisch sogar nur fünf Spezialist:innen für digitale Prozesse.

"Die Ergebnisse müssen auch deshalb überraschen, da der Mangel an Expertise gerade diejenigen Branchen betrifft, die aktuell massiven digitalen Disruptionen ausgesetzt sind", meint Lammers. "Insbesondere die Gesundheitsbranche erfindet sich angesichts neuer technischer Innovationen und gesellschaftlicher Entwicklungen derzeit komplett neu."

Sogar unter Deutschlands größten Technologienunternehmen ist der Analyse zufolge Expertise im Bereich Digital und Technology unterrepräsentiert. Nicht einmal jedes dritte Aufsichtsratsmitglied von TecDAX-Unternehmen verfügt demnach über Führungserfahrung mit Digitalschwerpunkt.

Wenig Diversität im Aufsichtsrat

Wenig Diversität zeigt sich außerdem im alters- und geschlechtsspezifischen Vergleich. Rund die Hälfte aller Expert:innen in Aufsichtsräten befinden sich in den Fünfzigern und sind damit im Schnitt unwesentlich jünger als ihre Mitstreiter:innen. Während reguläre Aufsichtsratsmitglieder im Schnitt 57,7 Jahre alt sind, fällt dieser unter den Expert:innen auf 55,8 Jahre. Frauen sind sowohl im Aufsichtsrat als auch unter den Expert:innen deutlich unterrepräsentiert: Weniger als jedes dritte Aufsichtsratsmitglied, das in der Studie als Expert:in identifiziert wurde, ist demnach eine Frau (27 %).

Ein leicht diverseres Bild zeichnet die Statistik bei der Herkunft: Rund 28 Prozent der Digitalexpertise in deutschen Aufsichtsräten kommt von Mitgliedern mit ausländischer Staatsangehörigkeit. 19 Prozent der Personen stammen aus dem europäischen Ausland, 15 Prozent aus Übersee aus den USA oder Kanada und die restlichen drei Prozent aus dem weiteren Ausland.

"Die Zahlen zeigen: Zu häufig wird versucht, alle Erwartungen an den digitalen Wandel in möglichst einer Person zu bündeln. Wir glauben aber, ein:e Digitalexpert:in im Aufsichtsrat ist nicht genug, um die Chancen unserer Zeit zu erkennen und zielgerichtet zu nutzen", resümiert Lammers. "Jeder und jede Einzelne im Aufsichtsrat muss zu digitalen Themen diskussionsfähig sein und bereit sein zu lernen - und das unabhängig von Alter und Funktion."

Insgesamt gebe es abers Anzeichen für stille Hoffnung: Mehr als 30 Prozent aller untersuchten Unternehmen haben bereits zwei und mehr Expert:innen im Board. Rund 20 Prozent der Digital- und Technologieexpert:innen haben vor ihrer Berufung Spezialexpertise als CDO, CTO, CIO oder CPO sammeln können. Fast zehn Prozent der Unternehmen haben außerdem die Notwendigkeit eines Digital-Komitees für sich erkannt.

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vg 11.11.2021