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Dr. Christian Karbaum, Partner bei Glade Michel Wirtz im Bereich Competition - Quelle: Alexander Limbach

Dr. Christian Karbaum, Partner bei Glade Michel Wirtz im Bereich Competition - Quelle: Alexander Limbach

Reform Vertikal-GVO

Startschuss zur Neuorientierung

Die Reform Vertikal-GVO soll Unternehmen klarere Leitlinien für ihre Liefer- und Vertriebsvereinbarungen an die Hand geben. Denn das Geschäftsumfeld hat sich durch die Zunahme des Online-Handels verändert.

Am 1. Juni 2022 sind die überarbeitete Vertikal-Gruppenfreistellungsverordnung (EU) 2022/720 (Vertikal-GVO) sowie die dazugehörigen Leitlinien (Vertikal-LL) der Europäischen Kommission in Kraft getreten. Die Vertikal-GVO ist die in der Praxis relevanteste Gruppenfreistellungsverordnung. Sie bildet den Rahmen für praktisch alle Verträge zwischen Zulieferern, Herstellern sowie Groß- oder Einzelhändlern entlang der Lieferketten.

Überschreiten die Parteien die 30-Prozent-Marktanteilsschwelle nicht und werden keine Kernbeschränkungen vereinbart, sind vertikale Verträge in Gänze vom Kartellverbot ausgenommen. An diesem Prinzip ändert sich zwar nichts. Im Einzelnen wurden aber einerseits die Regeln für den dualen Vertrieb sowie hybride Online-Pattformen verschärft, während andererseits das Handelsvertreterprivileg, Möglichkeiten zur Beschränkung von Plattform- oder Werbeverboten im Internet sowie Gestaltungsmöglichkeiten für Allein- und Selektivvertriebssysteme deutlich erweitert werden. Gelockert wurde auch der Rahmen für Wettbewerbsverbote.

Für die Praxis bedeutet dies, dass bestehende Vertriebssysteme am Maßstab der neuen Regeln überprüft werden müssen. Es geht vor allem für Hersteller um die Frage, ob einzelne, bisher unkritische Elemente nun strenger gesehen werden und der Anpassung bedürfen, oder ob das neue Recht umgekehrt Spielräume schafft, den Vertrieb zu optimieren.

Dualer Vertrieb

Die Kommission sieht den dualen Vertrieb aufgrund der Doppelrolle des Herstellers kritisch. Jenseits möglicher Horizontalabsprachen resultiere eine Gefahr aus dem unvermeidlichen Informationsaustausch im Vertikalverhältnis. Bislang war der duale Vertrieb freigestellt. Daran soll sich im Grunde nichts ändern, solange der Informationsaustausch (worüber wird bei Bestellungen gesprochen?) neue Anforderungen beachtet. Ein Austausch muss (i) die Umsetzung der vertikalen Vereinbarung betreffen und (ii) zur Verbesserung der Produktion oder des Vertriebs der Vertragswaren erforderlich sein. Zulässig ist dabei der Austausch technischer und logistischer Informationen, von Informationen zur Vermarktung (z.B. zu Werbekampagnen etc.) oder aggregierter Absatzdaten. Unzulässig ist der Austausch zu künftigen Absatzpreisen oder Kunden (z.B. zu Mengen). Ob es dieser Schärfung bedurft hätte, erscheint fraglich. Denn auch bislang lag auf der Hand, dass ein Austausch auf dasjenige zu beschränken ist, was für den Vertrag notwendig war. Nun ist dies aber schärfer und gesetzlich normiert.

In eine ähnliche Richtung geht Art. 2 Abs. 6 Vertikal-GVO für hybride Online-Plattformen, auf denen der Betreiber im Wettbewerb mit den Nutzern Waren/Dienstleistungen verkauft (z.B. Amazon Marktplatz). Diese Plattformen sind einer Freistellung nun in Gänze entzogen, wenn Plattformbetreiber und -nutzer auf dem gleichen Markt tätig sind. Diese Regelung wirkt verunglückt, weil sie schwer handhabbar ist und eine komplexe Einzelfallwertung im Verhältnis der Angebote des Betreibers zu denen unterschiedlichster Nutzer voraussetzt.

Inwiefern sich das Geschäftsumfeld durch die Zunahme des Online-Handels verändert hat und was es für Einzelhändler nun zu beachten gilt, lesen Sie im vollständigen Gastbeitrag von Dr. Christian Karbaum, Partner bei Glade Michel Wirtz im Bereich Competition, in markenartikel 7/2022. Zur Bestellung geht es hier.

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se 14.09.2022