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Pascal Fantou, Global Digital Growth & Strategy bei Miele X - Quelle: Miele X

Pascal Fantou, Global Digital Growth & Strategy bei Miele X - Quelle: Miele X

Transformation

Pascal Fantou, Miele X: "Innovation ist good execution, nicht nur good intentions"

Seit 2020 baut Pascal Fantou für Miele den Digital Hub Miele X in Amsterdam mit auf und ist für Global Digital Growth & Strategy sowie Research & Development zuständig. markenartikel-magazin.de sprach mit ihm über innovatives Marketing, Silos und Egos, 'good execution' und 'good intentions'.

markenartikel: Innovative Impulse für innovatives Marketing – unter diesem Oberthema standen die JOM Media Bytes in München. Welche Impulse wollen Sie Marketern denn mitgeben?
Pascal Fantou: Also vorab: Ich habe nicht die Hybris zu behaupten, dass meine Gedanken besonders neu oder innovativ sind. Viele sind in der einen oder anderen Form sicher schon gedacht oder gesagt worden. Mein Impuls ist: Innovation und Transformation sind 'good execution', nicht nur 'good intentions'. Mein Vortrag hatte den Titel 'Silos und Egos'. Ich beschäftige mich darin mit den Hindernissen für ebendiese 'good execution', die mir in den vergangenen Jahrzehnten in unterschiedlichsten Branchen so begegnet sind.

markenartikel: Zum Beispiel?
Fantou: Ein aktuelles Beispiel betrifft das Performance Marketing. Performance Marketing ist ja im Digitalen eine Aktivität, die erfolgsorientiert vergütet wird, ähnlich einer Sales-Provision. Die findet meist recht kurz vor einem Ziel wie Lead oder Sale statt. Das Marketing hat mit Social Media und eben Performance Marketing in den Jahren vor 2010 ein Spielfeld entdeckt, bei dem man ohne viel IT-Involvement Ergebnisse im Digitalen zeigen kann. Also hat das Marketing das Thema auch mit dem Label 'Marketing' versehen. Dazu muss man wissen, dass der Vertrieb das Thema Digitalisierung in vielen Unternehmen verschlafen hat und die Trennung Sales-Marketing auch international sehr unscharf ist. Das Marketing hat sich gefühlt vom Vertrieb entfernt und dabei vergessen beide, dass sie eigentlich am selben Thema arbeiten. Vereinfacht kann man sagen, Performance Marketing verkauft – und das ist in meinen Augen Sales.

markenartikel: Welche Auswirkungen hat das?
Fantou: Fast forward in das Jahr 2024: In manchen Branchen geht die Nachfrage zurück. Das Top-Management, das naturgemäß viele Dinge vereinfachen muss, um Entscheidungen treffen zu können, greift reflexartig zum Rotstift und kürzt beim Label 'Marketing'. Niemand würde in so einer Situation auf die Idee kommen, Sales zu kürzen. In Unternehmen, in denen das aber jetzt gerade passiert, haben die Silos und Egos zugeschlagen. Ich würde also zusammenfassen: Die größte Innovation ist für mich ist, die Dinge für das Unternehmen gut und richtig zu machen und nicht in PowerPoints oder für Silos und Egos.

markenartikel: Das Unternehmen, für das Sie die Dinge "gut und richtig" machen wollen, ist Miele. Seit 2020 bauen Sie für das Familienunternehmen den Digital Hub Miele X in Amsterdam mit auf. Welche Chancen bietet solch ein Hub für ein mittelständisches Unternehmen?
Fantou: Die Fähigkeit, sich weiterzuentwickeln und immer schneller in den richtigen Bereichen anzupassen, wird meines Erachtens eine Überlebensfrage für Unternehmen – egal ob klein oder groß. Der Mittelstand hat hier definitiv einen Geschwindigkeitsvorteil, wenn die Organisation bereit ist, sich kontinuierlich neu zu erfinden. Und das auch wirklich so umsetzt. Miele hat hier eine beeindruckende Geschichte, genau das immer wieder zu tun. Da sind wir wieder bei bei 'good intentions' bzw. 'good execution'. Die große Herausforderung bei Veränderung ist ja immer, dass es keine grüne Wiese gibt. Unternehmen müssen sich einer immer schnelleren Veränderung anpassen, gleichzeitig strebt aber die Natur der Menschen nach Stabilität und Vorhersehbarkeit. Diesen Konflikt sehen wir überall. Das iPhone wird gerade 15. 2030 ist aber schon in sieben Jahren. Können wir als Unternehmen diese Geschwindigkeit mitgehen? Können wir uns erlauben, das nicht zu tun? Als Konsumenten freuen wir uns über jede Vereinfachung, die Digitalisierung in unser Leben bringt. Als Unternehmen tun wir uns schwer, die Prozesse in einer ähnlichen Geschwindigkeit anzupassen.

markenartikel: Und hier kommen die Hubs ins Spiel?
Fantou: Die digitalen Hubs haben die manchmal nervige Rolle, die Veränderung, die intern vielleicht noch nicht als nötig gesehen wird, einerseits mit einer Außensicht zu fordern und andererseits an genau diesen Lösungen mit dem bestehenden Team zu arbeiten. Gerade mittelständische Unternehmen haben hier den enormen Vorteil, dass solche Veränderungen Zusammenarbeit der unterschiedlichsten Bereiche brauchen. Meiner Erfahrung nach gelingt das bei kleineren Unternehmen leichter als in Konzernen. Ein weiterer Vorteil ist der Blick auf längere Zeiträume: Diese Veränderung wird nicht im nächsten Quartal sichtbar, sondern in drei bis fünf Jahren. Diesen Blickwinkel braucht man.

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markenartikel: Mit welchen Herausforderungen sehen Sie sich vielleicht aber manchmal auch konfrontiert, wenn Sie diese Veränderungen forcieren?
Fantou: Meiner eigenen Ungeduld! Große Schiffe ändern langsam den Kurs, aber wenn sie das einmal angefangen haben, ist es schwer, sie davon abzuhalten. Es gibt meines Erachtens zwei große Problemfelder: Das erste sind fehlende Kompetenzen, das sieht man besonders gut im Themenkomplex Daten und IT. Man könnte provokant behaupten, dass viele Manager in der Vergangenheit diese Themen den vermeintlichen Fachbereichen zugewiesen und gehofft haben, sich damit so wenig wie möglich beschäftigen zu müssen. Das wäre aber heutzutage schon fast digitaler Analphabetismus und beträfe alle Entscheidungen, die von der jeweiligen Person getroffen werden. Es gibt aber doch heute kein Unternehmen mehr, dass Daten und IT nicht in jeder Abteilung unterschiedlich benötigt, um die eigene Arbeit effizienter zu machen. Das muss von der Business-Seite geführt werden. Ich vergleiche das gerne mit der Beauftragung eines Handwerkers. Wenn ich keine Ahnung von dem Feld habe, wird mir auch ein Siemens-Lufthaken oder ein WLAN-Kabel als sinnvoll verkauft. Wir brauchen also IT- und Datenkompetenz auf praktisch jeder Führungsebene bis hin ins Top-Management.

markenartikel: Und das zweite Problemfeld?
Fantou: Das zweite Themenfeld sind Silo-Interessen, die über das Unternehmensinteresse gestellt werden. Die hängen auch oft mit Zielvereinbarungen zusammen. Wenn der Einkauf das Ziel hat, die Hotelkosten um zwei Prozent zu senken, aber bereit ist, für Taxikosten ein Vielfaches der Einsparung auszugeben, ist das offensichtlich ein Problem. Meiner Meinung nach ist das letztlich ein Führungsproblem. Wenn die Führung solche Egoismen auf der Teamebene toleriert, warum sollte dann die Organisation bei anderen Themen an einem Strang ziehen?

markenartikel: Womit wir wieder bei Silos und Egos wären …
Fantou: … und ihrer Ausprägung, die man Politik nennt. Das sind meine größten Herausforderungen. Auch persönlich. Ich habe selbst durchaus Entwicklungspotenzial. Meine Geheimwaffe ist dabei ehrliches und konstruktives Feedback. Sowohl geben als auch einfordern. Das ist in größeren Organisationen auch spärlich gesät. Mein Team hat mir vor kurzem eine Schwachstelle offenbart, die es bei mir beobachtet hat. Wie toll ist das denn? Damit konnten wir dann arbeiten. Und gemeinsam haben wir ausgearbeitet, wie ich meine eigene notwendige Veränderung managen kann. Man wird doch selbst so schnell blind oder umgibt sich nicht so gern mit Menschen, die Dinge hinterfragen. Wie die fantastischen Vier singen: Es könnte alles, so einfach sein – ist es aber nicht.

markenartikel: Einfach ist dabei auch nicht, dass die technologische Entwicklung mit riesigen Schritten voranschreitet. Welche Trends halten Sie aktuell für besonders spannend – für Miele, aber auch generell für Marketer?
Fantou: Generell kann man sagen, dass die Geschwindigkeit große Herausforderungen mit sich bringt. Für uns bedeutet Nachhaltigkeit unter anderem Qualität und Haltbarkeit der Produkte. Wenn Sie ein Haushaltsgerät herstellen möchten, dass die nächsten 20 Jahre seinen Dienst in einem Smart Home tun soll, welchen WLAN-Chip bauen Sie dort ein, der in 20 Jahren noch funktioniert? Nur zur Erinnerung noch einmal: Das iPhone ist gerade 15 Jahre alt geworden.

markenartikel: Gibt es weitere Themen, die Sie besonders umtreiben?
Fantou: Der Trend, den ich persönlich am stärksten auch in den USA sehe, ist die wirkliche Umsetzung von Omnichannel. Also wieder jenseits der 'good intentions'. Die Kunden wünschen sich Konsistenz und Vereinfachung. Da geht es nicht um D2C gegen B2B oder Offline gegen Online oder Asien gegen Europa, Produkt A gegen Produkt B. Die höchste Disziplin ist es doch für Marken, dem Kunden wertschätzend und für ihn einfach zu begegnen. Unsere gemeinsame Herausforderung über alle Branchen ist, dem Kunden einmal endlich wirklich zuzuhören. Weg vom Produkt – und hin zum eigentlichen Need.

markenartikel: Wie gelingt das?
Fantou: Wir haben uns zum Beispiel bei Miele X vor zwei Jahren die Frage gestellt: Was ist ein Staubsauger oder eine Waschmaschine in einem Metaverse, in dem nichts schmutzig wird? Was ist also der Kern unserer Produkte und wo sind sie mögliche Lösungen zu Bedürfnissen und Problemen unserer Kunden? Das hat mir persönlich sehr geholfen, den Kopf klar dafür zu bekommen, um was es unseren Kunden wirklich geht.

markenartikel: Welche Tipps haben Sie für Unternehmen, die die neuesten Trends für ihr Unternehmen effektiv nutzen möchten?
Fantou: Als erstes muss man sicher feststellen, ob das ein Trend oder eine Eintagsfliege ist. Wenn man den Trend als real und auch für sein Unternehmen signifikant hält, ist es meist eine gute Idee, den Kontext zu verstehen – vom bloßen Hinterherlaufen halte ich persönlich nichts. Wenn man das dahinter liegende Muster verstanden hat, kann man es leichter auf die Muster im eigenen Unternehmen übertragen und so die Vorteile für das Unternehmen abwägen. Generative AI ist sicher ein gutes Beispiel.

markenartikel: Inwiefern das?
Fantou: Brauchen wir jetzt schon wieder alle neue Chatbots, die uns auf Webseiten nerven? Wahrscheinlich nicht – und das, obwohl ChatGPT eine Art Chatbot ist. Was ist also das Muster hinter dem generative AI-Thema und/oder Trend? Aus meiner Sicht ist es die Demokratisierung des Zugangs zu einer neuen Technologie, von der man noch nicht genau weiß, wie sie ausgeprägt sein wird. Ein bisschen wie das Internet in frühen Tagen oder das iPhone vor dem App-Store. Niemand hätte sich vorstellen können, dass man den Beschleunigungssensor zur Schnarcherkennung verwenden kann. Es ist also der frühe Zugang, der es besonders macht. Die fünf Tage zur ersten Million Nutzer wurden übrigens gerade von Metas Threads in wenigen Stunden geknackt. Es gibt also sehr wohl den Reiz des Neuen, den die Nutzer für sich – in welcher Art auch immer – sehen. Aber nochmal: Was ist der Trend dabei und was bedeutet er für mein Unternehmen? Wir sehen jetzt schon klar den Vorteil von Computern in repetitiven Aufgaben, die ohne Pause ein erwartetes Ergebnis liefern. Das ist generative AI nicht. Was es aber zeigt ist, welche Möglichkeiten sich durch die Kombination von Daten darstellen. Und die ist offensichtlich so schlecht oder gut wie der Input.

markenartikel: Ihr Rat also?
Fantou: Mein Rat an Unternehmen ist, schleunigst die eigene Datenqualität in den Griff zu bekommen. Und zwar, wie oben schon erwähnt, aus der Business-Sicht. Da lügen sich nämlich Viele in die Tasche. Man muss sich eben auch fragen: Wo stellen wir uns selbst auch nur der geschönten Version unseres Unternehmens? Zusammenfassend muss ich sagen: Ist das nicht eine phantastische Zeit in der wir gerade leben? Natürlich sind die Herausforderungen gefühlt so groß wie nie zuvor. Aber ebenso unsere Handlungsoptionen. Machen wir gemeinsam etwas Besseres aus unserer Welt! Immer besser.

 

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vg 03.08.2023