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Dr. Jörg Munkes ist Managing Director der Gesellschaft für innovative Marktforschung (GIM) - Quelle: Andrea Thum

Dr. Jörg Munkes ist Managing Director der Gesellschaft für innovative Marktforschung (GIM) - Quelle: Andrea Thum

Mentale Verfügbarkeit

Dr. Jörg Munkes, GIM: "Das ist gelebte Customer Centricity im besten Sinne des Wortes"

Wenn eine Marke sich langfristig in den Herzen der Menschen verankern will, müssen Menschen und Brands gemeinsame Werte teilen. Dr. Jörg Munkes, Managing Director der Gesellschaft für innovative Marktforschung (GIM), sprach mit uns über mentale Verfügbarkeit. Er sagt, warum Marken vermitteln sollten, für welche Werte sie stehen, wie es gelingt, im richtigen Moment bei den Konsumenten Top of Mind zu sein und die Category Entry Points zu ermitteln - und wie gelebte Customer Centricity aussieht.

markenartikel: Für Marken ist laut dem Marketingprofessor Byron Sharp neben der physischen Verfügbarkeit insbesondere die mentale Verfügbarkeit zentral, um Markenwachstum zu genieren. In Zeiten der Polykrise scheint dies wichtiger denn je, oder?
Jörg Munkes: Mentale Verfügbarkeit bedeutet, dass es einer Marke gelingt, in den Köpfen der Menschen präsent zu sein, wenn ein bestimmter Category Entry Point auftritt. Dies können Konsumanlässe, etwa geselliges Bier beim Public Viewing, ebenso wie Bedürfnisse, etwa alkoholfreies Bier nach dem Sport gegen den Durst, sein. In Krisenzeiten ist es für Marken naturgemäß schwieriger, ihren Platz in den Köpfen der Menschen zu behaupten, schon allein deswegen, weil mehr und andere Themen die Menschen bewegen. Außerdem ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich Bedürfnisse und Prioritäten auch mit Blick in die Portemonnaies in diesen Zeiten verändern, besonders hoch. Fast noch wichtiger in Zeiten der Polykrisen erschient mir jedoch, dass es Marken gelingt, Orientierung zu geben – und das nicht nur in Hinblick auf ein klares Nutzenversprechen.

markenartikel: Inwiefern das?
Munkes: Eine Marke sollte ebenso vermitteln, für welche Werte sie steht – und wofür sie sich stark macht. Auf der Ebene der Werte findet die emotionale Markenbindung statt – und diese kann Menschen zumindest ein kleines Stück des Halts geben, der in Krisenzeiten verloren geht.

markenartikel: Sie sagen, dass eine Marke nur langfristig in die Herzen der Menschen kommt, wenn Menschen und Marken gemeinsame Werte teilen. Wie gelingt es einer Marke, dass sie es ist, die im entsprechenden Moment oder Nutzungsanlass bei den Konsumenten Top of Mind sind? Wie also schaffen es Marken, sich inhaltlich so von anderen Wettbewerbern zu differenzieren und die Konsumenten mit spezifischen Produkteigenschaften so zu überzeugen, dass sie in der spezifischen Nutzungssituation präsent sind?
Munkes: Der erste Schritt ist sicherlich, dass eine Marke eine sehr klare Vorstellung haben sollte, wann und warum sie von ihren Kunden verwendet wird bzw. verwendet werden könnte. Und je klarer sie sich hierbei in der Wahrnehmung der Menschen von Wettbewerbern unterscheidet, umso besser. Und dann geht es nur noch um mentale Verfügbarkeit, die nur langfristig über Kommunikation und Sichtbarkeit aufgebaut werden kann. Etablierte Marken tun sich hierbei natürlich leichter als neue Marken, da sie schon auf bestehende Assoziationen in den Köpfen der Menschen aufbauen können – sie besitzen ein mentales Guthaben.

markenartikel: Und wie sieht es bei neuen Marken aus?
Munkes: Entsprechend ist es für neue Player in einer Kategorie, mit vermutlich erstmal begrenzten Ressourcen, zielführender, sich auf wenige Anlässe zu konzentrieren. Entscheidend ist, bei diesen sehr präsent zu sein, da Menschen bei der Markenwahl nicht von der absoluten Markenstärke geleitet werden, sondern die Marke suchen, die am besten zu dem jeweiligen Anlass passt – und ihre Bedürfnisse bestmöglich befriedigt.

markenartikel: Wie kann ich feststellen, welche Nutzungsanlässe es für meine Marke gibt? Wie ermittle ich die relevanten Category Entry Points, Nutzungstreiber und -Barrieren einer Marke?
Munkes: Lassen Sie los. Anders ausgedrückt: Hierfür muss ich die Perspektive wechseln. Typischerweise betrachten Marken(hersteller) den Markt aus ihrer Perspektive, das heißt welche Kunden kommen zu meiner Marke und wie nehmen sie diese wahr. Wir hingegen betrachten den Kunden mit seinen Nutzungsanlässen und seinen Bedürfnissen und schauen, welche Marken aus seiner Sicht die bestmögliche Lösung im konkreten Kontext darstellt. Viele Ansätze zu Category Entry Points tun übrigens so, als ob alle Anlässe und Bedürfnisse gleich relevant wären – wir halten das für falsch! Hat ein Anlass keine Bedeutung im Alltag eines Menschen, dann ist es auch irrelevant, ob eine Marke mit diesem verknüpft wird oder nicht.

markenartikel: Die Konsumgewohnheiten ändern sich – wie bleibe ich als Marke am Ball? Wann gilt es, bisherige Positionen zu überprüfen?
Munkes: Tatsächlich kann sich Konsumverhalten schneller ändern, als sich etwa Bekanntheit oder Image einer Marke verändern. Konsumverhalten kann auch einer Saisonalität unterworfen sein. Bestes Beispiel sind unterschiedliche Konsummuster im Sommer oder Winter bei der Ernährung: Rinderbraten mit Rotkohl und Knödeln ist eher ein Gericht für den Winter und passt nicht so richtig gut zum Sommer. Bei Produktkategorien mit einer starken Saisonalität muss ich entsprechend eher ganzjährig messen. Andererseits gibt es Marken – und das sind meist die Prototypen innerhalb einer Kategorie –, die den Status von Allzweck-Marken haben, das heißt diesen wird zugetraut, dass sie praktisch jedes Bedürfnis ausreichend gut befriedigen können.

markenartikel: Haben Sie hier ein Beispiel?
Munkes: Die blaue Nivea Creme wäre ein Beispiel für so eine Marke. Bei diesen Marken muss ich nicht so häufig die Category Entry Points überprüfen, da die Marken sehr gut gelernt sind und Veränderungen nur graduell stattfinden.

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markenartikel: Wenn ich weiß, warum, wie, wann und wo mein Produkt genutzt wird – wie setze ich das im Marketing um?
Munkes: Das lässt sich sehr einfach im Marketing umsetzten, da Kommunikation eine Art Bedienungsanleitung für mein Produkt mitgeben kann. Aber bitte Kommunikation nicht nach dem Motto: "Hier ist meine Marke und jetzt schau mal, wann du sie benutzt – idealerweise immer". Besser ist: "Ich weiß, was du macht und was dich bewegt – meine Marke passt hier am besten zu dir". Das ist gelebte Customer Centricity im besten Sinne des Wortes. Tatsächlich ist auch ein Vorteil dieses Ansatzes, dass Markennutzung in sehr konkrete Kontexte gesetzt wird – und so kann ich dieses Wissen für die Ansprache nutzen.

markenartikel: Inwieweit unterscheidet sich hier auch, wie man als Marke Heavy User erreicht – und wie Non oder Light User?
Munkes: Für eine Marke sind das verschiedene Aufgaben: Heavy User muss ich als Marke binden. Diese zu intensivieren, ist schwierig, da sie meine Marke bereits intensiv nutzen. Ich glaube, dass diese Bindung auch nicht nur auf Ebene der Category Entry Points gelingen kann, denn über kurz oder lang wird es Wettbewerber diese gleichwertig oder sogar besser bedienen können. Entscheidender ist für mich bei dieser Nutzergruppe die emotionale Bedingung – und die wirkt auf Ebene der gemeinsamen Werte.

markenartikel: Und bei Non oder Light Usern ist das anders?
Munkes: Bei Light und Non Usern hingegen muss ich als Marke die Triggerpunkte adressieren und das sind eben häufig die sehr konkreten Category Entry Points. Das ist wie in einer zwischenmenschlichen Beziehung: Damit es 'klick!' macht, muss ich meine sehr konkreten Stärken in den Vordergrund stellen und betonen – und erste gemeinsame Themen und Interessen finden. Für eine langfristige Beziehung ist eine gemeinsame Basis notwendig, die sich in geteilten Werten und Überzeugungen äußert.

markenartikel: Wie kann man als Marke neue Nutzungsanlässe schaffen und an der mentalen Verfügbarkeit arbeiten?
Munkes: Ich glaube, dass es die Ausnahme ist, dass eine Marke wirklich Nutzungsanlässe schaffen kann. Das kann passieren, wenn sie mit technischen Innovationen verbunden ist, die das Verhalten der Menschen nachhaltig verändert, aber das passiert nicht alltäglich. Viel wichtiger ist es für Marken, Nutzungsanlässe zu besetzen, die bereits Teil des Konsumalltags sind und dabei auch die Scheuklappen der eigenen Produktkategorie abzulegen.

markenartikel: Wie meinen Sie das?
Munkes: Also: Auch hier wieder von den Menschen her denken und sich fragen, welchen Produktkategorien sind noch relevant bei diesen Anlässen – und nicht nur die unmittelbaren Wettbewerber im Blick zu haben. Ebenso kann ich mich als Marke natürlich fragen, ob es Nutzungsanlässe gibt, die mir als Marke oder sogar der ganzen Produktkategorie noch Potenziale bieten. Und dann beginnt das Spiel: Es gilt zu bestimmen, was ich den Menschen konkret in bei diesen Anlässen bieten kann – funktional und emotional. Die mentale Verfügbarkeit ist dann nur eine Lernaufgabe, das heißt ich muss meine Marke mit den Category Entry Points verknüpfen. Eine Marke muss diese Verknüpfung übrigens gar nicht explizit herstellen.

markenartikel: Sondern?
Munkes: Ein Beispiel: Möchte ich als Marke etwa das Bedürfnis Entspannung besetzen, dann kann ich entweder Entspannung zum Thema in meiner Markenkommunikation machen; und/oder ich trete als Marke bewusst in Kontexten auf, in denen die Menschen entspannt sind – auch so wird der Zusammenhang zwischen meiner Marke und dem Bedürfnis gelernt.
 

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vg 19.06.2024