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Rechtsanwalt Sebastian Wasner von der Kanzlei JBB Rechtsanwälte Jaschinski Biere Brexl Partnerschaft mbB - Quelle: Tina Krohn

Rechtsanwalt Sebastian Wasner von der Kanzlei JBB Rechtsanwälte Jaschinski Biere Brexl Partnerschaft mbB - Quelle: Tina Krohn

Bundesgerichtshof

BGH-Urteil: Pauschale Werbung mit 'klimaneutral' ist unzulässig

Der Bundesgerichtshof hat in einem Grundsatzverfahren zwischen dem Fruchtgummihersteller Katjes und der Wettbewerbszentrale entschieden, dass die Werbung mit der Angabe 'klimaneutral' wettbewerbswidrig ist, wenn in der Anzeige selbst nicht darüber informiert wird, dass die Klimaneutralität auf Kompensationsmaßnahmen beruht (BGH, Urteil vom 27. Juni 2024, Az. I ZR 98/23). Rechtsanwalt Sebastian Wasner von der Kanzlei JBB Rechtsanwälte Jaschinski Biere Brexl Partnerschaft mbB in Berlin ordnet die Entscheidung für markenartikel ein und sagt, was sie für Marken und umweltbezogene Werbung bedeutet:

In dem vom BGH zu entscheidenden Fall ging es um eine Anzeige des Unternehmens Katjes in der Lebensmittelzeitung. Der Süßwarenhersteller bewarb dort seine Grün-Ohr-Hasen mit der Aussage "Seit 2021 produziert Katjes alle Produkte klimaneutral". Außerdem wurde in der Anzeige auf die Internetseite von Climate Partner verwiesen, einer Agentur die Klimaschutzprojekte vermittelt. Diese Internetseite enthielt weitere Informationen – unter anderem darüber, wie die Klimaneutralität der Katjes-Produkte erreicht wird.

Die Wettbewerbszentrale beanstandete dies als unzulässig: Die Werbung sei irreführend, weil die angesprochenen Leser:innen bei der Angabe 'klimaneutral' davon ausgingen, dass bereits die Produktion CO₂-frei sei und nicht nur Emissionen ausgeglichen würden. Mit anderen Worten: Es wurde bemängelt, dass nicht in der Werbung selbst darauf hingewiesen wird, dass die Klimaneutralität nur durch Kompensationsmaßnahmen erreicht wird. Der entsprechende Hinweis auf der Seite von Climate Partner sei nicht ausreichend.

Instanzgerichte wiesen die Klage ab

Die Klage der Wettbewerbszentrale wurde sowohl vom erstinstanzlich zuständigen Landgericht Kleve als auch vom Oberlandesgericht Düsseldorf abgewiesen. Die angesprochenen Verbraucher:innen wüssten, dass die Klimaneutralität auch durch Kompensationsmaßnahmen erreicht werden könne. Eine Irreführung scheide daher aus. Aus lauterkeitsrechtlicher Sicht seien zwar über die Frage der Irreführung hinaus bestimmte Angaben erforderlich, um Verbraucher:innen eine "informierte Entscheidung" zu ermöglichen – dies beinhalte unter anderem die Information darüber, ob die Klimaneutralität zumindest auch auf der Einsparung von Treibhausgasen beruht oder ob ausschließlich auf Kompensationsmaßnahmen zurückgegriffen wird. Es sei jedoch ausreichend, wenn diese Informationen auf der Internetseite der Agentur Climate Partner zur Verfügung gestellt werden.

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BGH: Aufklärung in der Anzeige selbst erforderlich

Die von der Wettbewerbszentrale gegen das Düsseldorfer Urteil eingelegte Revision hatte Erfolg. Der Bundesgerichtshof (BGH) entschied laut Pressemitteilung (die Urteilsgründe liegen derzeit noch nicht vor), dass es irreführend sei, mit dem mehrdeutigen Begriff 'klimaneutral' zu werben, ohne bereits in der Werbung darauf hinzuweisen, dass die Klimaneutralität nur durch den Einsatz von Kompensationsmaßnahmen erreicht wird. Es bestehe die Gefahr, dass große Teile der angesprochenen Verkehrskreise davon ausgehen, dass im Rahmen des Produktionsprozesses kein CO₂ ausgestoßen wird. Die bloße Kompensation der Emissionen stelle demgegenüber aus Verbrauchersicht keine gleichwertige Maßnahme dar. Ein aufklärender Hinweis außerhalb der Werbung (hier auf der verlinkten Internetseite von Climate Partner) reiche nicht aus, um die Irreführung zu beseitigen. Entscheidend sei dabei auch, dass ein solcher Hinweis ohne weiteres in der Anzeige hätte untergebracht werden können.

Mit dieser Entscheidung bestätigt der BGH seine strengen Maßstäbe bei umweltbezogener Werbung, wonach unklare Aussagen über Umweltvorteile ohne Erläuterung in der Werbung grundsätzlich unzulässig sind. Ähnlich wie bei gesundheitsbezogener Werbung sehen die Karlsruher Richter:innen in diesem Bereich die Irreführungsgefahr als besonders groß an, sodass ein gesteigertes Aufklärungsbedürfnis über Bedeutung und Inhalt der verwendeten Begriffe besteht. Neu ist, dass auch die Aussagen 'klimaneutral' (bzw. 'CO₂-neutral') als aus Verbrauchersicht mehrdeutig und somit aufklärungsbedürftig eingestuft werden.

Brüssel plant weitere Verschärfung

Die nun erstmals auch vom BGH konkretisierten Spielregeln für die Werbung mit Klimaneutralität werden bereits in naher Zukunft wieder überholt sein.

Denn der europäische Gesetzgeber hat Anfang des Jahres im Rahmen des europäischen Green Deal die sogenannte Richtlinie zur Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel (Empowering Consumers Directive) verabschiedet. Diese sieht vor, dass die Bewerbung von Produkten als 'klimaneutral' oder 'CO₂-reduziert' künftig nicht mehr auf Kompensationsmaßnahmen gestützt werden darf. Da eine vollständig CO₂-freie Herstellung in aller Regel nicht möglich sein wird, bedeutet die anstehende Gesetzesänderung faktisch das Aus für die Bewerbung von Produkten als klimaneutral.

Die Empowering Consumers Directive, die darüber hinaus auch die rechtlichen Rahmenbedingungen für andere Umweltaussagen und die Werbung mit Nachhaltigkeitssiegeln ändern wird, muss von den Mitgliedsstaaten noch in nationales Recht umgesetzt werden. Mit dem Inkrafttreten der neuen Vorschriften ist nicht vor 2026 zu rechnen, sodass den Unternehmen noch etwas Zeit bleibt, sich auf die Anforderungen einzustellen.

Schließlich wird in Brüssel seit geraumer Zeit über die flankierende Richtlinie über umweltbezogene Angaben (Green Claims Directive) verhandelt. Kern des Kommissionsvorschlags ist die Verpflichtung, jede Umweltaussage vor ihrer Veröffentlichung von einer offiziell akkreditierten Prüfstelle auf Basis einer detaillierten, wissenschaftlich fundierten Bewertung genehmigen zu lassen. Auch wenn abzuwarten bleibt, in welcher Form die Green Claims Directive letztlich Realität wird, ist eines sicher: Das Katjes-Urteil war erst der Anfang auf dem Weg zu einem deutlich strengeren Rechtsrahmen für Umweltwerbung.

 

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vg 28.06.2024